18. August 2025vonRA Dr. Dietlind Hügel
Gesetzliches Vorausvermächtnis von Ehegatten – umfasst was?
Kunst & Co? …
Die Klägerin begehrte von der Beklagten, der Verlassenschaft ihres verstorbenen Ehemannes, der ein Kunstkenner und -sammler war, unter anderem die Herausgabe der sich in der Ehewohnung befindlichen wertvollen Kunstsammlung.
Sie verlor in allen drei Instanzen.
Aufgrund des gesetzlichen Vorausvermächtnisses gebühren dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner – sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist –
das Recht, in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter zu wohnen, und
die zum ehelichen oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.
Dem Höchstgericht (2 Ob 38/25i) zufolge soll dieses Vorausvermächtnis dem überlebenden Ehegatten den grundsätzlichen Erhalt der gewohnten Umgebung sichern; es diene im Ergebnis der Fortschreibung der bisherigen Lebensverhältnisse nach einem subjektiven Maßstab.
Ein bestimmtes Mindestmaß des Gebrauchs haushaltszugehöriger Sachen oder ihr Wert seien nicht entscheidend.
Wesentlich seien die Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt sowie die Erforderlichkeit zur Fortführung des ehelichen Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen. Nicht Teil des Vorausvermächtnisses – unabhängig davon, ob sie sich physisch im ehelichen Haushalt befinden würden – seien Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers und Sachen, die primär der Berufsausübung des Erblassers dienen sowie Gegenstände, die in erster Linie die Funktion einer Wertanlage erfüllen.
(Auch wertvolle) Kunstgegenstände könnten der Dekoration oder dem Gebrauch dienen. In der Ehewohnung (etwa in einem Tresor oder Schrank) nur gelagerte Kunstwerke hingegen erfüllten nicht einmal eine Dekorationsfunktion und sei schon die Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt zu verneinen. Bei Veranlagung in Kunstgegenstände könne die Funktion als Wertanlage so weit in den Vordergrund treten, dass nicht mehr von der Zugehörigkeit zum ehelichen Haushalt ausgegangen werden könne, selbst wenn den Kunstwerken eine Dekorationsfunktion zukomme – was im Anlassfall angenommen wurde. Ob wertvolle Kunstgegenstände Teil des Vorausvermächtnisses seien, lasse sich letztlich nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantworten.
Das Höchstgericht präzisierte seine Rechtsprechung zum Umfang des gesetzlichen Vorausvermächtnisses von Ehegatten mit folgendem Rechtssatz:
„Kunstwerke, die nicht ohnehin als Werke der angewandten Kunst im Haushalt eine Gebrauchsfunktion erfüllten, können unter das Vorausvermächtnis nach § 745 Abs 1 ABGB fallen, wenn sie durch Aufhängen oder Aufstellen zur Dekoration der Ehewohnung dienten. Das gilt aber nicht, wenn im Einzelfall die Funktion als Wertanlage oder als Bestandteil einer Kunstsammlung so deutlich in den Vordergrund trat, dass die Dekorationsfunktion nur mehr ganz untergeordnete Bedeutung hatte.“
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Rechtsanwältin DR. DIETLIND HÜGEL,
Nüziders (Vorarlberg),
Telefon 05552/62101
Ebenfalls zum Thema Notwehr -> Beitrag vom 11.11.2024 „Zulässige Notwehr muss verhältnismäßig sein“: https://rechtsanwalt-huegel.at/zulassige-notwehr-muss-verhaltnismasig-sein/