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12.06.2024 18:14
von Dr. Dietlind Hügel
Beteiligen Sie sich NIE an einem SHITSTORM ...
... weil es sehr teuer werden kann - auch wenn Sie weder der Erste sind, der in einem sozialen Medium Entsprechendes postet, noch der Einzige!
In einem aktuellen Fall hat der Beklagte, Inhaber eines Facebook-Profils, einen Screenshot von einem „Ursprungsposting“ geteilt, ohne dieses auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen – versehen mit einem Begleittext, der zur Beteiligung an einem Shitstorm aufgerufen hat. Inhaltlich ging es um ein Video betreffend einen Polizisten, der im Februar 2021 bei einer Demonstration gegen Covid-19-Maßnahmen im Einsatz war. Der betroffene Polizist wurde rund ein halbes Jahr lang von vielen Leuten auf diesen Beitrag angesprochen, hatte ständig das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, was ihn sehr belastete; er machte 406 Personen ausfindig, die auf ihren Facebook-Profilen diesen Beitrag – teilweise mit abschätzigen Kommentaren – ebenfalls geteilt hatten und klagte schließlich auf Widerruf der Behauptungen als unwahr, Veröffentlichung dieses Widerrufs (weltweit abrufbar) für die Dauer von einem Monat auf dem Facebook-Profil des Beklagten und auf Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Euro 3000.
Während die ersten beiden Instanzen den Beklagten zum Widerruf und zu dessen Veröffentlichung (weltweit abrufbar) für die Dauer von einem Monat auf seinem Facebook-Profil sowie zur Bezahlung von Euro 450 verpflichteten, sprach das Höchstgericht dem Kläger den gesamten geltend gemachten Schadenersatz im Betrag von Euro 3000 zu.
Der Kläger habe das ihm widerfahrene Ereignis zutreffend als „Shitstorm“ bezeichnet, worunter ein „Sturm der Entrüstung im virtuellen Raum“ mit zum Teil beleidigenden Äußerungen gegen eine Person verstanden werde. Ein Einzelner könne einen Shitstorm allenfalls „lostreten“, mitverursachen oder daran teilnehmen, ihn aber nicht alleine bewirken. Die Schlagkraft einer solchen Vorgangsweise liege gerade erst in der öffentlichen Schmähung durch viele Personen, die vom Opfer als ungerechte Verurteilung durch die „Allgemeinheit“ erlebt werde.
Das Unaufklärbarkeitsrisiko sei von allen (wohl im Regelfall zumindest fahrlässig und damit schuldhaft handelnden) Postern des Shitstorms zu tragen und nicht vom Geschädigten. Geteilte Postings bei weltweiter Abrufbarkeit könnte potenziell jedermann gelesen haben und könnten theoretisch alle weiteren Reaktionen (und abhängig vom Zeitpunkt der Verbreitung der gesamte ab diesem Zeitpunkt eingetretene Schaden) darauf zurückgeführt werden.
Verursacht werde ein Gesamtschaden, der sich regelmäßig nicht in begrenzt bewertbare Einzelschäden zerteilen lasse. Es sei auch nicht ersichtlich, warum es dem Opfer des Shitstorm auferlegt sein sollte, die Anzahl der Teilnehmer zu eruieren oder warum der Geschädigte mit dem Liquiditätsrisiko belastet sein sollte.
Wer sich an einem Shitstorm beteilige, müsse damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg) leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen müsse.
Auch die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes erachtete das Höchstgericht als jedenfalls angemessen.
Bei einem Shitstorm haftet somit jeder Beteiligte für alle Beteiligten und das kann kosten!
Rechtsanwältin DR. DIETLIND HÜGEL,
Nüziders (Vorarlberg),
Telefon 05552/62101